DIE SAGE DES HARTMANN VON KALRATH

Es ist erwiesen, daß der Herzog von Jülich drei große Burgen besaß: Nideggen, Kaster und Kalrath. Die Kalrather Burg stand "am wisse huhs". Andere untergegangene Gebäude lagen am "Eenhuhs" (dieses Gebäude ist eines Tages mit allen Insassen in der Erde versunken) und "op der Klepp".
Zur Zeit Herzog Wilhelms V (1539-1592) und des unglücklichen Wilhelms (1592-1609) lebte Hartmann von Kalrath "im Schloß" am Ausgange des Dorfes Kalrath auf Rödingen zu, genannt "das wisse Hus". Weil Herzog Wilhelm V im Alter blödsinnig und dadurch regierungsunfähig und sein Sohn Johann geistesschwach war, regierte die Frau des ersteren, Jakobe von Baden, für beide. Nach dem Tode ihres Gatten hatte sie ihre Schwägerin Sibilla und treulose Räte des Herzogs gegen sich. Das Land wurde in zwei Parteien gespalten: in treue Anhänger des Herzogs und in die der treulosen Räte. (Jakobe selbst wurde später ein Opfer der Schurken). Hartmann von Kalrath galt als Anhänger des Herzogs, stand aber im geheimen auf der Gegenseite.
In einer stürmischen und regnerischen Nacht hielt ein Reiter, mit Namen Felsstein, in einen weiten Mantel gehüllt, vor dem Kalrather Schloß, in dem in der großen Küche noch Licht brannte und bat durch anhaltendes Klopfen um Einlaß. Ihm fiel auf, daß er vom derbknochigen, rothaarigen Hartmann, dem angeblichen Anhänger des Herzogs, nicht besonders freundlich empfangen wurde. Felsstein bat für sich und das Pferd um eine kurze Verschnaufpause von dem beschwerlichen Weg. Während er von Hartmann zu fortgesetztem Trinken aufgefordert wurde, vernahm er ab und zu eigenartige Klagelaute, die aus einem tiefen Keller zu kommen schienen. Er bemerkte, wie sich die Diener, bis auf einen Knecht, der ihn bediente und ihn durch unmerkliches Kopfschütteln vor weiterem Trinken warnte, spöttische Blicke zuwarfen. Als Felsstein sich erhob, flüsterte ihm der gleiche Knecht, der ihn gewarnt hatte, zu, er möge sich auf einem anderen als dem üblichen Weg möglichst schnell nach Jülich begeben. In einem der Keller werde seit zwei Nächten ein gefesselter Mann gefangen gehalten. Als der Hausherr erschien, verabschiedete er sich schnell und begab sich auf einem nur zur Holzabfuhr benutzten Weg zum Welldorfer Wald. Von dort hörte er Pferdegetrappel vom gewöhnlich gebrauchten Weg her, glaubte jedoch nur noch einen Verfolger zu vernehmen und hielt schon seine Waffe auf den vermeintlichen Feind gerichtet. Es war lediglich sein Bekannter, von dem er von der Umkehr seiner Verfolger und über einen weiteren Gefangenen im Keller von Nideggen unterrichtet wurde. Außerdem habe Hartmann samt der treulosen Räte des Herzogs vor, die bedeutendsten Anhänger des Herzogs entweder gefangenzunehmen oder zu beseitigen, um die Einkünfte und Reichtümer des Herzogs unter sich aufzuteilen. Felsstein bedankte sich für die wichtige Mitteilung und begab sich am folgenden Tag zur Berichterstattung auf die herzogliche Burg in Caster zum Vogt, einem Getreuen des Herzogs. Man vermutete in dem Gefangenen in Kalrath den seit einigen Tagen vermißten Ratsherrn Ramberg von Jülich. Sie schmiedeten einen Plan, mit Hilfe einiger Getreuen, die sich in einem Wäldchen in der Nähe von Hartmanns Wohnung verbergen sollten, die Befreiung des Gefangenen herbeizuführen.
Der Vogt, Felsstein und ein Begleiter kehrten bei Hartmann ein. Mit geheuchelter Freundlichkeit fragte der Vogt während des Willkommenstrunkes nach dem Verbleiben eines Ratsherrn Ramberg. Hartmann gab eine ausweichende Antwort, während sein Knecht mit Augen und Zeigefinger in Richtung Keller wies. Während Hartmann für kurze Zeit den Raum verließ, schickten sie ihren Begleiter in das Wäldchen um Hilfe. Dem wieder eingetretenen Gastgeber sagte der Vogt auf den Kopf zu, er wisse von dem Gefangenen im Keller und fordere dessen sofortige Freilassung. Hartmann leugnete alles, wurde jedoch von den getreuen Helfern gefesselt und geknebelt. Durch eine Öffnung wurden sie von dem bekannten Knecht in eine enge Halle gewiesen, von der aus sie zwei Steintreppen nach unten stiegen und anschließend durch mehrere Kreuz- und Quergänge durch eine eiserne Tür in ein grausiges Gefängnis geführt wurden. Hier lag Ramberg, dessen Gesicht einem Totenantlitz ähnelte. Alsdann erzählte der befreite Ramberg, wie Hartmann sich bei einem Besuch in Jülich als aufrichtigen Freund des Herzogs ausgegeben habe. Wenige Tage später habe ihn dieser in einer wichtigen Angelegenheit nach Kalrath gerufen und auch freundlich bewirtet. Auf seinem Heimweg seien dann vier Männer über ihn hergefallen und haben ihn im abscheulichen Keller angekettet.
Ratsherr Ramberg kehrte mit seinem Wagen zu seiner Familie zurück, und Hartmann wurde in einen Kerker der Burg Caster geschafft, bis das Ränkespiel der Räte ein Ende hatte.

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