AKTIONEN GEGEN DIE SCHLIEßUNG UNSERER SCHULE
Im Nachhinein mag mancher, nachdem er die heftigen Kämpfe um die Erhaltung ihrer eigenen Schulen in vielen Orten (bis auf den heutigen Tag) verfolgt hat, denken, wie sinnlos man seine Kräfte gegen die Macht des Stärkeren und Mächtigen eingesetzt hat. Nun, am Kampf der Kalrather im vorigen Jahrhundert um eine eigene Schule und um die kirchliche Unabhängigkeit von ihrer Mutterkirche Bettenhoven konnte man schon in etwa den Charakter unser Bürger erkennen: Nur nie aufgeben!

Als nun die Kalrather Ende 1962 zu einer Besichtigung des neuen, modernen Anbaus der Rödinger Schule eingeladen wurden, erkannten sie sofort die Absicht der Gemeinde an dieser freundlichen Geste. Schon im Dez. 1962 bildete man eine Interessengemeinschaft, die massiv gegen eine Eingliederung ihrer Kinder in die Rödinger Schule kämpfte. Man war nicht gewillt, die seit 101 Jahren existierende Schule aufzugeben. Am 4.4.1963 stellte man an die Gemeinde Rödingen folgenden Antrag:
1. Bau eines Schulgebäudes für die Volksschule Kalrath, bestehend aus Klassen-, Gruppenraum, Lehrmittel- und Lehrerzimmer.
2. Bau eines Spiel- und Mehrzweckplatzes, sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen des Ortes.
Ein entsprechendes Grundstück stand schon zur Verfügung.
Natürlich stieß man in Rödingen auf Ablehnung. Man konnte die Kalrather nicht verstehen, weshalb sie nicht nach Rödingen wollten. Die Kalrather gaben nicht auf. Sie wandten sich an den Landrat Johnen, an die Regierungspräsidentin Olbrich, an die SPD- und CDU-Fraktionen der Gemeinde Rödingen und an das Amt Titz. Man wandte sich nach einem, vom Kultusminister gehaltenen Vortrag, sogar an diesen persönlich, indem die Interessengemeinschaft sich in ihrem Verhalten durch seine Worte bestärkt fühlte: "Keine Zusammenlegung von Schulen um jeden Preis!. Verliert ein Dorf seine Schule, dann verliert es damit ein Zentrum kultureller Bildung". Sie hatten keinerlei Erfolg mit ihren Bemühungen.

Als dann der Gemeinderatsbeschluß vom 6.9.1965 über die Zusammenlegung der Schulen Kalrath und Rödingen bekannt wurde, setzte die Elternschaft ihre Aktivitäten fort. Neue Versammlungen wurden einberufen und Protestschreiben gingen an den Herrn Oberkreisdirektor Inneken, an den Herrn Regierungsdirektor Stolze im Kultusministerium, an die Bezirksregierung in Aachen, an das beschöfliche Generalvikariat und an den Gemeinderat in Rödingen. Man war empört über den neuen Rödinger Gemeinderatsbeschluß, nachdem ein im Sommer 1964 von den gleichen Gemeinderatsmitgliedern gebilligtes Vorhaben, die Kalrather Schule durch einen Gruppenraum zu erweitern und die Klosettanlagen in einen einwandfreien hygienischen Zustand zu versetzen, nicht ausgeführt worden war, sondern als Ersatz der neue Entschluß zur Zusammenlegung beider Schulen bekanntgegeben wurde. Die meisten Schreiben blieben unbeantwortet. Lediglich ein Antwortschreiben des Regierungspräsidenten, einer Aussprache im Schulamt über die Schulangelegenheit Kalrath beizuwohnen, liegt vor. Bei dieser Anhörung im Schulamt erfuhren die Vertreter der Interessengemeinschaft von Kalrath, daß mit der Pensionierung ihres derzeitigen Lehrers der Auflösung der kath. Volksschule in Kalrath von Seiten der Regierung und der Schulbehörde nichts mehr im Wege stand.
Der Kampfgeist der Eltern wurde nun in eine andere Richtung gelenkt. Wenn schon "Schließung unserer Schule", dann keineswegs eine Umschulung nach Rödingen, sondern in die damals geplante Mittelpunktschule nach Titz. Von den Eltern schulpflichtiger Kinder stimmten 85.7 % für eine Einschulung nach Titz, 10.7 % nach Rödingen bei 3.6 % Stimmenthaltung.

Die Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinder stimmten mit 100 % für die Eingliederung in die Titzer Schule.
Eine endgültige Absage dieses gestellten Antrages erfolgte am 22.10.1966 vom Schulamt Jülich, der Beschluß der Gemeinde Rödingen, die Schulen Kalrath und Rödingen zusammenzulegen, entspreche den Weisungen des Kultusministers NW über die Neuordnung des Schulwesens im Landes Nordrhein-Westfalen. Dem Wunsche der Schulpflegschaft Kalrath könne keine Zustimmung gegeben werden.
Bis zum 26.7.1967 hatten die Kalrather Zeit, sich mit dem Unabwendbaren abzufinden. 106 1/2 Jahre lang hatte die Schule in Kalrath "ein Zentrum kultureller Bildung" dargestellt. Ein Trost blieb ihnen, daß auf allen Gebieten Kämpfe gegen die Eingliederung in eine größere Gemeinschaft ausgetragen werden (z.B. "Mein Landkreis bleibt Jülich ").
Mit einem gewissen Prozentsatz Schadenfreude verfolgte die Interessengemeinschaft die ab 1968 in Rödingen aufgeflammten Widerstände gegen die Eingliederung ihrer Hauptschüler in eine neue Gemeinschaftshauptschule in Titz. Aufbewahrt wurde eine Zeitungsnotiz vom 11.4.1968 über eine Versammlung der Rödinger Bürger unter dem Motto: "Ons Kenger jont net no Titz". Die Kalrather glaubten jetzt, mancher Rödinger Bürger habe vielleicht nach der eigenen Erfahrung Verständnis dafür gewonnen, wie bitter es jedem ist, ob kleine oder große Gemeinde, seine Eigenständigkeit zu verlieren.

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