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KALRATH ERHÄLT EINE NEUE KIRCHE UND WIRD SELBSTÄNDIGE PFARRE
Ein wichtiges Datum für die Kirchengeschichte Kalraths ist der 21.2.1890, an dem in der Kirchenvorstandssitzung folgendes bekannt gegeben wird:
Die Geschwister Josepha und Joseph Lommertzheim, Gutsbesitzer zu Kalrath, wollen an Stelle der armseligen Kapelle eine neue Kirche nach dem Plan des Kölner Architekten Dreher bauen. Zudem schenken sie der Kirche 1/2 Morgen großes Grundstück in der Mitte des Dorfes als Kirchenplatz. Herr Mathias Schulten hatte den Auftrag der Geschwister Lommertzheim, 1 Morgen Land von Herrn Eduard Meyburg in Jülich, dessen Gattin eine geb. Beckers vom Goldsteinhof zu Kalrath war, für den Kirchbau zu kaufen. Dieser behielt 1/2 Morgen gegen alle Vereinbarungen für sich und legte neben dem Kirchengrundstück Garten und Anlage an, um einen unerwünschten Nachbarn fernzuhalten.
Die Geschwister Lommertzheim stellten folgende Bedingungen an ihre Stiftungen
1. In der Kirche soll ihnen eine Bank an einer von ihnen zu bestimmenden Stelle als ausschließliches Eigentum bis zu ihrem Tode eingeräumt werden.

2. daß an allen Sonn- und Feiertagen in der Hl. Messe ein Vaterunser und Ave Maria für die Erbauer der Kirche von dem Geistlichen vorgebetet werden soll und

3. daß ihnen bei der Anlegung eines Friedhofes in Kalrath eine freie Begräbnisstätte eingeräumt werde.
Der Kirchenvorstand überließ dem Herrn Lommertzheim die freie Wahl einer Baukommission, in die gewählt wurden:
Pfarrer Hermkes, Rektor Jüssen, die Gutsbesitzer Becker, Schulten und Cajens.
Joseph Lommertzheim erklärt sich zudem zur Stiftung der neuen Glocken bereit, wenn ihm die alten Glöckchen von der Kapelle zum Umtausch überlassen würden.
Die Kirchengrundsteinlegung fand am 27.7.1890 statt, bei der eine Urkunde für den Neubau der Kirche "Maria Himmelfahrt" in den Grundstein mit folgendem Wortlaut eingelegt wurde:
"Im Jahre des Heils 1890, dem 13. Jahre des Pontifikates Leo`s XIII, dem 3. Jahre der Regierung des deutschen Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm II, als Philippus Krementz Erzbischof von Köln, Johannes Bandri Weihbischof und Antonius Fischer Hülfsweihbischof waren, wurde zu Kalrath, Rektoratsbezirk der Pfarre Bettenhoven, Bürgermeisterei Rödingen, unter dem Pfarrer von Bettenhoven Johann Mathias Hubert Hermkes und dem Rektor zu Kalrath Johannes Gerhard Jüssen, auf dem von den Geschwistern Gutsbesitzer Joseph und Josepha Lommertzheim zu Kalrath behufs Erbauung einer Filialkirche von Bettenhoven geschenkten Grundstücke, am 27. Juli in Gegenwart des Bürgermeisters von Rödingen, Herrn Breidkopff, ferner des zeitigen Rektors von Kalrath, Johann Gerhard Jüssen, der früher zu Kalrath angestellten Rektoren, nämlich der hochwürdigen Herrn Pfarrer Eitel zu Mintard und Pfarrer Kappert zu Niederwerg, sowie der hochw. Herren Pfarrer Burger zu Rödingen, Pfarrer Schiffer zu Jackerath, Pfarrer Breuer zu Ameln, Pfarrer Grotecken zu Kirchherten und Pfarrer Weck zu Kirchtroisdorf, weiterhin des Kirchenbaukomitees, bestehend aus den Herren Joseph Lommertzheim, Gottfried Becker, Mathias Schulten, Hubert Cajens, der kirchlichen Gemeindevertretung unter dem Vorsitze des Herrn Theodor Küsters, in Anwesenheit einer sehr großen Zahl katholischer Bewohner Kalraths und der Umgegend, durch den hochwürdigen Herrn Dechanten, Pfarrer Fuchs zu Welldorf, der Grundstein für die von den Geschwistern Gutsbesitzer Joseph und Josepha Lommertzheim aus eigenen Mitteln nach den Plänen des Architekten Hans Hubert Dreher aus Köln zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau Maria s.t. "Maria Himmelfahrt" zu erbauenden Kirche feierlich gelegt.
Urkundlich dessen haben dieses unterschrieben". (Unterschriften der oben Genannten folgen). Auf dem Grundstück soll sich ein Pfuhl (Tümpel) befunden haben, der an der Feuchtigkeit der Kirche schuld gewesen sein soll. Nach mündlicher Überlieferung habe man für das Fundament der Kirche so viele Steine benötigt wie für den Bau der Kirche über der Erde. Am 24.3.1891 (nach knapp 8-monatiger Bauzeit) wurde die Kirche in neugotischem Stil mit großem Dank vom Kirchenvorstand übernommen. Die Einweihung der Kirche erfolgte vom damaligen Weihbischof Dr. Antonius Fischer am 17.9.1891 unter großem Jubel und Verschießen von Feuerwerkskörpern. In einem für diesen "Feiertag" aufgestellten Festzelt wurde ein Konzert abgehalten. Bau und Ausstattung der Kirche hatte 68.576,85 Mark gekostet, davon hatte die Gemeinde Kalrath "nur" 4.341,18 Mark aufgebracht, obwohl noch zwei Junggesellen-Gutsbesitzer vorhanden waren.
Im Vergleich zu der von den Geschwistern Lommertzheim aufgebrachten Summe von 64.235.67 Mark und einer zusätzlichen Dotation von 29.000 Mark - davon 26.000 Mark für den jeweiligen Geistlichen und 3.000 Mark für den Küster und Organisten - war der durch freiwillige Gaben, Spenden und Kollekten aufgebrachte Betrag verschwindend klein.
Demnach wirkte ein Gegenartikel am 18. Mai 1895 zu einem Bericht der Rheinischen Volksstimme Cöln vom 12. Mai 1895 mit folgendem Inhalt: "Die Geschwister Lommertzheim haben in Kalrath aus eigenen Mitteln eine prächtige Pfarrkirche erbauen lassen, die "eine Perle des Jülicher Landes" sei, aufreizend für den damaligen Herrn Pfarrer Jüssen. Zusammenfassung des Gegenartikels: "Alle Einwohner haben nach ihren Kräften kein Opfer gescheut, dem lieben Gott ein würdiges Heim zu errichten".
Da ein von Pfarrer Jüssen verfaßter Artikel zum Gegenartikel vom 18.5.1895 in der Rheinischen Volksstimme nicht erschienen war, veröffentlichte er diesen im "Jülicher Correspondens- und Wochenblatt": "Die meisten Kalrather Einwohner sind über den Gegenartikel in der Rheinischen Volksstimme Cöln vom 18.5.1895 peinlich berührt, da ihr Geldbetrag zu der Schenkung des Kirchgengrundstückes und dem aufgebrachten Geldbetrag der Geschwister Lommertzheim in keinem Verhältnis stehen".
Die Aufstellung der Spenden, der Ausstattungs- und Baukosten können auf Wunsch in der Chronik von Herrn Tichlers nachgelesen werden.
Erwähnenswerte Hauptausstattungsgegenstände der stilreinen neugotischen Kirche sind"
Der Hochaltar in Eichenholz: die Gruppen in Lindenholz: Christus am Ölberge (an der Evangelienseite), die Grablegung (an der Epistelseite)
Der Herz-Jesu-Altar (mit Statue), anfangs als Marienaltar gedacht, mit Symbolen der Evangelisten Mathäus und Markus Der Joseph-Altar mit Statue und Symbolen der Evangelisten Lukas und Johannes
Maria-Hilf Altar in Eichenholz mit 2 Leuchterbänken und dem Maria-Hilf-Bild von den Redemptoristenpatres (am 6.11.1892 wurde die Aufstellung dieses Bildes von dem Redemptoristenpater Berto mit dem Verlesen der Übersetzung der Ablaßbreve in feierlicher Weise vorgenommen). Sämtliche Altäre, Chorstühle und die Kanzel wurden von der Kunst- und Möbelschreinerei J. Bugten u. Söhne, Düsseldorf, geliefert.
Die Kirchenmöbel: Kommunionbank, Beichtstuhl, Gallerie der Orgelbühne und Bänke von Baldachim, Hasselsweiler.
Der Taufstein von Bildhauer Josten, Baal.
Die Orgel stammt von Johann Klais aus Bonn. Sie wurde als vorzügliches Werk vom Domkapellmeister Karl Coben gelobt, jedoch von Herrn Tichlers, der sie selber spielte, wie folgt beschrieben: "Die feuchte Witterung und der feuchte Grund unter der Kirche haben oft einen derartigen Einfluß, daß die Ventile nicht schließen und Dutzende von Stimmen beim Registerzug mitpfeifen". - Diesem Urteil ist auch heute nichts hinzuzufügen - .
Die Kirchenfenster wurden von Hertel und Lersch, der Königlich Sächsischen Hof-Glasmalerei, aus Düsseldorf angefertigt, auch das mittlere Chorfenster mit dem Bilde Maria Himmelfahrt und den Bildnissen der Erbauer Joseph und Josepha Lommertzheim (in Klostertracht).
Damit wir uns ein Bild von den zerstörten Fenstern machen können, möchte ich es nicht versäumen, diese zu beschreiben. Vielleicht stiftet irgendein Wohltäter irgendwann einmal eines der verlorengegangenen Fenster neu. Zwei Chorfenster mit je zwei Einzelbildern, St. Wilhelm und St. Barbara, St. Kaspar und St. Franziskus (auf dem Foto der Innenansicht noch zu erkennen); zwei Chorfenster mit Teppichmuster; zwei Fenster im Langschiff mit je zwei Einzelfiguren, rechts St. Karl Borromäus und St. Gottfried, links St. Hubert und St. Heinrich. Sämtliche übrigen Fenster waren einfacher Art mit Musterverbleiung, ähnlich wie sie 1955 unter Pfarrer Kramer in den heutigen Zustand versetzt wurden.
Die Stationsbilder sind vom Kirchenmaler Hoegen, M. Gladbach, die Rahmen von Bugten u. Söhne geliefert.
Ein Baldachin mit Gestell und Behänge von Wilhelm Wesers, Köln.
Über die Geschichte unserer Kirchenglocken werde ich im nächsten Kapitel berichten. Nun stand eine stilreine, neugotische Kirche in Kalrath, damit war den Kalrathern nicht genug gedient. Man erstrebte die Unabhängigkeit von Bettenhoven und eine damit verbundene Erhebung des Ortes zur eigenen Pfarre. Mit Unterstützung des Bettenhovener Kirchenvorstandes erteilte das Erzbistum Köln am 20.12.1894 die Genehmigung zur Errichtung einer selbständigen Pfarre, da das Gehalt des Priesters durch die Zinsen des gestifteten Kapitals gesichert war. Das Einkommen des Geistlichen bestand aus 2.400 Mark Jahreseinkommen. Er mußte auf Staatsgehalt und Staatszuschüsse verzichten. Die einzige Unabhängigkeit, die Kalrath je besessen hat, war für einige Jahrzehnte auf kirchlichem Gebiet. Die Urkunde als Grundlage zu dieser Selbständigkeit ist für unser Dorf (neben der eigenständigen Schule für über fast 107 Jahre) von großer Bedeutung gewesen. Deswegen mag der Wortlaut der Errichtungsurkunde für uns im Nachhinein eine traurige Rückschau auf die Vergangenheit sein, weil uns durch den Priestermangel kein eigener Dorfgeistlicher mit festem Wohnsitz in unserer Pfarre zugeteilt wird. Text der Urkunde vom 22.12.1894: "Da die Filiale Kalrath, Kreis Jülich, von der Pfarrei Bettenhoven durch die zwischen beiden sich erstreckende Pfarrei Rödingen gänzlich getrennt und 3.8 km entfernt ist, so daß so schon seit längerer Zeit eine eigene Seelsorge daselbst errichtet werden mußte, erscheint der Wunsch der Einwohner Kalraths, daß diese Filiale, für welche eine neue geräumige Kirche nebst Dotation beschaffen ist, zu einer selbständigen Pfarre erhoben werden möge, gerechtfertigt. Nach Anhörung und im Einverständnis aller Beteiligten bestimmen wir daher, was folgt:
Die Filiale Kalrath, deren Bezirk auf der zur gegenwärtiger Urkunde paraphierten Karte mit roter Farbe angelegt ist, wird von der Pfarrei Bettenhoven getrennt und zu einer selbständigen Pfarrei und die dortige Filialkirche unter dem Titel "Maria Himmelfahrt" zu deren Pfarrkriche erhoben. Die zu diesem Bezirk gehörigen Katholiken scheiden mit Verkündigung dieser Urkunde aus dem Pfarrverbande Bettenhoven aus und gehören fortan zur Pfarrei Kalrath. Die für Kalrath bestimmten, bisher von dem Kirchenvorstande zu Bettenhoven verwalteten Vermögensobjekte gehen mit Verkündigung der gegenwärtigen Urkunde in das Eigentum der Pfarrei Kalrath und von der Konstituierung des dortigen Kirchenvorstandes in dessen Verwaltung über, dem auch dann die zugehörigen Archivalien ausgehändigt werden sollen. Das lastenfreie Einkommen der Pfarrei Kalrath wird auf 1.800 Mark festgesetzt. Köln, den 20. Dezember 1894, Der Erzbischof von Köln - gez. Philipp Kardinal Krementz.
Verlesen wurde diese Urkunde von Pfarrer Lindeke zu Spiel am 25.8.1895 während des Hochamtes in der Kirche zu Kalrath, nachdem diese durch die Königliche Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen in Aachen am 9. Juli 1895 genehmigt worden war. Kurz darauf folgt eine weitere Urkunde am 25.10.1895 mit der Genehmigung, das Friedhofskreuz, die auf eigene Kosten errichtete Friedhofskapelle, als Familiengrabstätte der Fam. Lommertzheim am Fest Allerheiligen des gleichen Jahres zu weihen. Die Kreuzigungsgruppe der Grabkapelle stammt vom Bildhauer Josten aus Baal.

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